Sog der Gruppe
Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
Im US-amerikanischen Fernsehen gibt es eine Sendung, ähnlich wie bei uns „Vorsicht Kamera!“. Folgende Szene wurde dabei gefilmt:
Vier Menschen steigen in einen Aufzug ein. Drei von ihnen sind Mitarbeitende der Sendung. Als sich die Tür des Aufzugs schließt, drehen diese drei sich um und schauen alle zur Rückwand des Aufzugs. Was macht die nicht eingeweihte vierte Person?
Sie ist zunächst verwirrt, dreht sich etwas zur Seite, schaut auf ihre Uhr als kleine Ablenkung, um sich dann noch ein bisschen weiter zur rückwärtigen Wand zu drehen … und als die Türen des Aufzugs sich wieder öffnen, zeigt sich, dass auch die vierte Person dem Verhalten der drei anderen gefolgt ist und sich komplett zur Rückwand gedreht hat. Der Gruppendruck scheint unwiderstehlich zu sein.
Menschen suchen Sicherheit. Wir wollen nichts falsch machen. Darum orientieren wir uns gern an anderen. Wenn wir sehen, dass die anderen sich auch so verhalten wie wir, fühlen wir uns bestätigt.
Menschen suchen aber auch Freiheit. Nur weil alle etwas tun, muss es nicht unbedingt richtig sein. „Schwimmen gegen den Strom“ ist anstrengend und kann irritieren – uns selbst und die anderen. Da bekommt man nicht immer Applaus.
In einem Lied heißt es: „Welcher falsche Ton wird richtig dadurch, dass ihn jeder pfeift? Welcher saure Apfel süß dadurch, dass jeder nach ihm greift?“ (Manfred Siebald)
Ich möchte mir die Mühe machen, Dinge zu prüfen, bevor ich mich anderen anschließe in ihren Meinungen oder in ihrem Verhalten. Vielleicht hat die Mehrheit ja Recht. Vielleicht auch nicht. Mehrheit allein ist jedenfalls kein Argument.