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Achtung Achtsamkeit! - Meditationen über Mental Health

Warum Achtsamkeit - und wie? - Teil 2 der dreiteiligen Serie

Gastbeitrag von Alan Herweg - Psychologischer Berater

Mental Health kämpft sich langsam aus ihrem Ruf heraus, nur ein Luxus zu sein. Es wird erkannt, dass es hierbei nicht nur um wärmenden Tee, ähnlich warme Worte und ungefragte Ratschläge geht, sondern um das, was uns zum Menschen macht: unser Bewusstsein.

Genauer gesagt, unser Selbstbewusstsein. Der Mensch ist ein Tier und, dass er als Tier über sich selbst nachsinnen kann, macht ihn zum Menschen. Und als solcher hört, liest und entdeckt er zunehmend das Wörtchen „Achtsamkeit“.

Wie bei diversen Schlagworten ist auffälliger, dass es gerade in vielerlei Munde ist, als warum eigentlich. Denn neu ist die Achtsamkeit wahrlich nicht, ihre ideengeschichtlichen Wurzeln reichen Jahrtausende tief. Also, weshalb Achtsamkeit? 

Weil sie wirkt. Und was wirkt, lässt sich vortrefflich vor den Karren spannen: Leistungsfähigkeit, Strapazierbarkeit, Entspannung – das Versprechen einer mentalen Rüstung. Wo dieser Karren damit eigentlich genau hinwill und, ob das dem subjektiven Wohlbefinden dient, wird dabei oft nicht penibler geprüft. Was könnte daran schon falsch sein? Nun, einiges. Denn Achtsamkeit ist an sich völlig wertneutral.

Es handelt sich um nicht mehr oder weniger als einen Bewusstseinszustand. In diesem wird man sich der Ganzheit des jetzigen Moments gewahr. Die Aufmerksamkeit stellt sich neugierig weit: was höre, schmecke, rieche ich? Was fühle ich in mir, wie meinen Körper? Welche Gedankengänge spazieren gerade mehr oder weniger beobachtet durch meinen Kopf? Es ist ähnlich zur Konzentration, aber unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt:

Das Wahrgenommene wird weder bewertet [weder schlecht, noch gut!] und noch wird darauf reagiert [weder ablehnend, noch befürwortend]. Essenziell ist hier: schlichtweg sein! Nur beobachten. Zukünftiges und Vergangenes dürfen höflich zurückweichen. Es wird die Gegenwart betrachtet. Mit allem, was gerade da ist. Und bald schon wieder anders sein wird.

Es ist eine präferenzlose Beobachtung der Gesamtheit der eigenen Innen- wie Außenwelt. Wenn man hier genug Übung kultiviert hat, kann man auf den Pause-Knopf der eigenen Selbststeuerungsfernbedienung drücken. Denn wir erleben permanent allerlei Reize. Und wir erleben, welche initialen Reaktionen direkt, ohne unser Zutun, aufkommen. Gedanken über den Sachverhalt, Gefühle, die neben diesen Gedanken herlaufen und sie stützen. Verhalten, welches wir impulsiv ausüben wollen. Der Clou der Achtsamkeit: einfach weiter hinschauen, nichts tun, nichts zerdenken.

Das beschreibt auch die englische Übersetzung „Mindfulness“. Unser Mind ist dann zwar full, aber das braucht uns nicht zu schrecken. Wie ein Bildschirm, der ganz viele Programme abspielt. Allzu regelmäßig identifizieren wir uns mit diesen zügigen Bildern, die über die matte Scheibe flirren. Aber warum eigentlich? Wir sind nämlich der gesamte Bildschirm: nicht nur, was er abspielt. Achtsamkeit hilft uns, diese Vogelperspektive einzunehmen. Denn nur aus dieser Neutralität heraus können wir überhaupt evaluieren, welches Programm eigentlich gerade läuft und inwiefern wir dies als unsere eigene Medienanstalt absegnen, fördern oder doch lieber unterbrechen möchten. 

Erinnern wir uns an den anfänglich erwähnten Karren! Hier ist die Chance, dessen Ziel neu zu kalibrieren: Selbstwirksamkeit benötigt Selbstreflektion. Selbstreflektion benötigt Selbstwahrnehmung. Und Selbstwahrnehmung bedarf Achtsamkeit, sonst wird sie immer ziellos bleiben: da wir sonst den Autopiloten über die Ziele bestimmen lassen und so nie das größere Ganze mit gesundender Distanz betrachten können.

Achtung! Achtsamkeit eilt uns also bei der Selbsterkenntnis und Mental Health ganz entschieden zur Seite. Aber wie können wir das nun trainieren? Und – in relevanten Alltagssituationen anwenden, wenn der Kittel brennt?! Das verrät das nächste Essay der Serie. 

Bis bald und leben Sie mir bis dahin bitte wohl!

 

Zum Autor: Alan Herweg ist psychologischer Berater. Er widmet sich existenziell wie rational dem menschlichen Bewusstsein und wie dessen Potential für die alltägliche Mental Health ausgeschöpft werden kann.