Spiritueller Impuls: Keine Nachlese

bunch of grapes left on the vine after the harvest with a colorful autumn background

Keine Nachlese 

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Die Weinlese ist vorbei. Hier und da hängen noch ein paar
vergessene Beeren – zu meiner großen Freude, denn da
nasche ich gern mal. Und mir fällt ein, dass es dazu eine
Vorschrift aus der Bibel gibt, aus dem Alten Testament:
„Wenn du dein Land aberntest, sollst du nicht alles bis an die
Ecken deines Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese
halten. Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese
halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem
Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR,
euer Gott.“ * In der damaligen Welt hatten „Arme und
Fremdlinge“ keinen Anspruch auf Unterstützung. Gottes
Gebote, an sie zu denken, haben den Grund gelegt für
unseren modernen Wohlfahrtsstaat.

Unsere Mentalität heute scheint mir ganz anders zu sein:
Zahlungen müssen „auf Heller und Pfennig“ genau stimmen.
Wenn ich tanken will, zählt noch der Zehntel-Cent hinter
dem Komma. Wie gut das tut, wenn jemand großzügig ist:
die Frau im Hofladen, die den Centbetrag immer abrundet;
die fremdsprachige Frau, die mir die Münzen für den
Parkscheinautomaten schenkt, weil ich nicht wechseln kann.
Die Inhaberin im Uhrenladen, die mir den Betrag für die
neue Batterie der Armbanduhr anvertraut: „Spenden Sie das
irgendwo!“


*3. Mose 19,9+10