Klettenzeit

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Als Kinder fanden wir das lustig: uns gegenseitig von hinten
mit Kletten bewerfen – ohne dass der andere es merkt.
Eine beeindruckende Technik haben diese Pflanzen:
sie verbreiten ihre Samen, indem sie sich einfach anhängen
mit winzigen Widerhaken und sich ein Stück mittragen
lassen, zum Beispiel von Tieren, die an ihnen vorbeistreifen.
Auch ich habe es erst einmal gar nicht gemerkt, was ich da
am Bein habe.

Und dann hab ich mich gefragt: Was bleibt eigentlich sonst
noch so – unsichtbar – an mir hängen, während ich durch
meinen Alltag gehe? Bilder, Erlebnisse, Worte, Gedanken,
Gefühle… Vieles mache ich mir gar nicht bewusst, weil gleich
die nächsten Eindrücke kommen. Und abends, wenn ich
müde bin, mag ich darüber oft gar nicht nachdenken und
lasse mich lieber „berieseln“. Aber manchmal bleibt ein
undeutliches Unwohlsein zurück. Und wenn ich dann
zurückdenke und überlege, woher das kommt, erkenne ich
den Grund. Etwas ist an mir hängengeblieben. Vielleicht
habe ich etwas falsch gemacht. Vielleicht hat mich jemand
unfreundlich behandelt oder ich habe eine Enttäuschung
erlebt. Mir hilft es, wenn ich das dann bewusst „abstreifen“
kann. Ich schreibe es in mein Tagebuch und ich rede mit
Gott darüber. So kann ich es los werden.