Macken – Die Erste 

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Diesen Teller bekam ich als Teenager von meiner Mutter geschenkt – samt
Tasse und Untertasse – und habe ihn sehr geliebt. Inzwischen existiert nur noch
dieser Teller und auch der hat einen Sprung und eine deutlich sichtbare Macke.
Mich erinnert er immer mal wieder daran, wie wir Menschen sind.

Wir sind, wie dieser Teller, unvollkommen, fehlerhaft und beschädigt.
Ich bin es jedenfalls. Und – na klar – ich wünschte, es wäre nicht so. Das Ideal,
das wir anstreben, ist Perfektion. Das wird uns ja auch in der Werbung immer
vor Augen geführt. Alles sollte makellos sein, fehlerfrei, vollkommen. Aber so
bin ich nicht und so ist das Leben einfach nicht. Wenn wir an dem Ideal von
Vollkommenheit festhalten wollen, machen wir uns viel Druck – uns selbst und
anderen. Eine Weile hatte ich an der Wand über meinem Schreibtisch zwei
Zettel hängen. Auf dem einen stand: „Es gibt Gott.“ Auf dem anderen: „Ich bin’s
nicht.“ Ich bin ein Mensch – und Menschen haben Fehler und machen Fehler.
Das ist menschlich.

Wir sind außerdem, wie dieser Teller, zerbrechlich und verletzlich. Einem Teller
aus Stahl wäre so etwas nicht passiert, aber er ist eben aus Ton. Wir sind eben
aus Fleisch und Blut. Wir können verletzt werden, krank werden, wir sind
sterblich. Auch unsere Seele ist verletzlich. Und oft sind es andere Menschen,
die uns Verletzungen zufügen. Wo man viele getöpferte Gefäße beieinander
hat, stoßen die auch mal gegeneinander und da springt dann auch mal eine Ecke
ab. Dass es Verletzungen zwischen Menschen gibt, die miteinander arbeiten und
leben, ist keine Ausnahme. Das ist praktisch unvermeidlich. Damit dürfen wir
deshalb auch offen umgehen und das zur Sprache bringen. Gut, wenn das nicht
nur in Offenheit, sondern auch mit Barmherzigkeit geschieht!