Spiritueller Impuls: Mai-Trauer

Mai-Trauer

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Der „Wonnemonat“ Mai wird in vielen Liedern besungen. „Komm, lieber Mai, und
mache die Bäume wieder grün…“ „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern
durch die Lüfte…“ Frühling ist für viele der Inbegriff von Lebensfreude, Liebe und
Verbundenheit.

Ich kenne aber auch Menschen, die gerade im Frühjahr eher depressiv werden.
Ich denke, wenn man leidet, dann kann der Kontrast zum strotzenden Leben um einen
herum den Schmerz noch verstärken. Mein Vater hatte im Mai Geburtstag. Der erste
Mai nach seinem Tod war für mich schwer zu ertragen.

Ich fand solche Gefühle wieder in einem Gedicht von Ute Zydek*:

Maiwald
Ein Grün, ein Grün und noch ein Grün.
Es schwimmt das Auge im Grünmeer.
Brich mir das Herz nicht, Wald, grüngrüner.

Mir hat dieses Gedicht damals geholfen. Wieso? Ist das nicht komisch? Zieht einen so
etwas nicht noch mehr runter? Als ich um meinen Vater trauerte, half mir keine
Aufmunterung. Was mir half, war Verständnis. Ich hatte den Eindruck, dass die Frau,
die das gedichtet hat, irgendwie eine „verwandte Seele“ sein muss. Und das hat mich
getröstet. Ich dachte: Ich darf so fühlen, wie ich fühle. Es ist okay. Andere kennen das
auch. Ich glaube, das war es, was mir gut getan hat.

* Ute Zydek, Ein Haus, das hab ich nicht, Kiefel-Verlag, Wuppertal