Nehmen, wie es kommt

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.
Text von Sonja Rupp, Kirche im SWR, Ettenheim, Katholische Kirche, leicht gekürzt. 

Frau Swielow ist 96 Jahre alt. Sie hat freundliche braune Augen. Sie sagt leise: „Ich nehm‘s,
wie’s kommt“. Durch die gekippten Fenster weht ein bisschen Frühlingsluft ins Krankenzimmer.
Die Kräfte dieser Frau schwinden, das Herz will nicht mehr. Sie deutet nach oben und
sagt: „Wissen Sie, wenn Er mich heute ruft, bin ich bereit. Und wenn Er mir noch ein paar Tage
schenkt, ist das auch gut. Ich bin bereit, und nehm’s, wie’s kommt.“ Das hört sich womöglich
nach einer frommen Floskel an, aber da ist etwas in der Stimme und im Blick dieser Frau, das
mir sagt: sie meint es so. Dabei strahlt sie eine Ruhe und Zuversicht aus, die mich regelrecht
umwirft. Wie gelassen diese Frau auf das vertrauen kann, was da kommt, und wie sie dabei
auch auf Gott vertrauen kann. So versöhnt und zufrieden, das finde ich unglaublich stark.

Während ich nach Hause fahre, wird mir bewusst, wie oft ich unzufrieden bin. Wenn nicht
alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Das kann ein verpasster Bus sein oder eine
frustrierende Erfahrung bei der Arbeit. Dann sehe ich nur das, was nicht gut geht. Oder wenn
die Zeiten besonders stressig sind. Oder eine Krankheit auftaucht, die alles verändert. Aber
auch in diesen Wochen, in denen sich die schlechten Nachrichten häufen, will ich versuchen,
einen weiten Blick aufs Ganze zu behalten. Es gibt ja auch das Schöne: dass die Straßencafés
zum Beispiel wieder voller Leben sind oder dass zwei Freundinnen endlich wieder versöhnt
sind. Es hilft mir, beides zu sehen: Das Traurige und alles Fröhliche, das Verkorkste und das,
was einfach gut ist. Vielleicht schaffe ich es dann auch, es zu nehmen, wie es kommt.

Frau Swielow ist bald nach unserem Gespräch gestorben. Vielleicht hat sie in ihren letzten
Momenten ja auch beides erlebt. Dass es am Ende schwer war loszulassen und dann wieder
ganz leicht. Beides, Schweres und Schönes, gehört zum Leben. Frau Swielow hat mir etwas
beigebracht: Wenn ich für beides offen bin, macht mich das freier. Ich will es immer wieder
versuchen und offen und mutig auf das zugehen, was kommt.

 

Quelle:  Kirche im SWR