Neues wagen

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Ich habe mit Mitte 50 angefangen, Trompete zu spielen. Leider musste ich es wieder
aufgeben. Ob ich wohl noch einmal wage, etwas Neues zu probieren?
In diesen Tagen denke ich immer wieder an Lucia Lang. Sie arbeitete an der Pforte im
Wichernhaus und las gern meine Kurz-Impulse. Immer wieder unterhielten wir uns
darüber. Vor einem Jahr schrieb ich etwas über den „Corona-Blues“ und zitierte sie.
Sie hatte mir erzählt, dass ihr gegen den „Blues“ Laufen hilft: Jeden Tag raus – bei
Wind und Wetter. Und dabei für Abwechslung sorgen, z.B. mal versuchen, nur Wege
zu gehen, die man noch nie gegangen ist. Ob in der Stadt oder in der Natur… Oder: Mit
ÖPNV zu einer unbekannten (End-) Haltestelle und von dort aus nach Hause laufen.
Das hat mir imponiert: etwas Neues ausprobieren!

Die „Fastenzeit“ wird von manchen genau dazu genutzt: für eine begrenzte
Zeit von sieben Wochen irgendetwas anders machen als sonst. Auf etwas verzichten,
z.B. auf Fleisch, Alkohol oder Süßigkeiten. Sich etwas vornehmen, z.B. aufräumen,
Briefe schreiben, Sport machen. Für sieben Wochen mal etwas ganz anders zu machen,
das ist überschaubar, das trauen wir uns zu. Vielleicht machen wir dabei gute
Erfahrungen, die uns für die Zukunft prägen. Wir verlassen unsere „Komfort-Zone“ des
Vertrauten und tun Schritte in die „Lern-Zone“. Wir entwickeln uns weiter. Das kann
man lebenslang machen. Lucia Lang wurde 70 Jahre alt. Ende letzten Jahres verstarb
die experimentierfreudige Frau völlig unerwartet.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, dichtete Hermann Hesse, und „Es wird
vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden.“ Was
wohl Lucia Lang jetzt erlebt? Sicher ist das total anders als alles, was sie bisher kannte!