Paradox

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Ein Rebberg soll neu angelegt werden – die alten Rebstöcke kommen raus.
Und dann sind da noch diese Metallstäbe. Die müssen auch raus.
Auf meinem Spaziergang beobachte ich einen Mann, der in einer Hand
ein paar dieser Stäbe hat und in der anderen einen Hammer. Zu meiner
Verwunderung sehe ich, wie er mit dem Hammer die Stäbe tiefer in den
Boden schlägt. Wieso das denn? Er will sie doch nach oben rausziehen,
oder? Noch bevor ich ihn frage, kann ich es mir selbst erklären:
die Dinger sitzen so fest in der Erde, dass sie sich nicht einfach rausziehen
lassen. Wenn er sie aber tiefer einschlägt, lockert sich die Erde um den
Stab – und er kann ihn leichter hochziehen.

Es gibt Sachen, die gelingen mir nicht auf Anhieb. Meistens versuche ich es
dann wieder – oder gebe mir mehr Mühe. Mehr vom Selben hilft aber
nicht immer. Manchmal hilft eine „paradoxe Intervention“ – es einfach
mal ganz anders machen. Sieht vielleicht verrückt aus, aber…

Einer der Freunde von Jesus war Fischer. Seine Kollegen und er hatten die
ganze Nacht vergeblich gearbeitet. Kein Fisch im Netz. Am nächsten Tag
predigte Jesus von seinem Boot aus zu den Menschen am Ufer des Sees
und meinte danach zu ihm: „Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure
Netze zum Fang aus!“ Fischfang bei Tag? Völlig abwegig, unprofessionell,
paradox! Petrus tat es trotzdem – und machte den Fang seines Lebens.
Manches von dem, was Jesus gesagt hat, klingt paradox – zum Beispiel
„Liebt eure Feinde!“ Aber man könnte es ja mal ausprobieren.