Siesta

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Vor Jahren war ich mal für ein paar Tage in Südspanien - im Juni. Mittags machten alle
Läden zu und erst um 17 oder 18 Uhr wieder auf. Die Straßen waren fast menschenleer
– bis auf ein paar (verrückte) Touristen (wie ich). Ich schwitzte mächtig, wollte aber
dies und das unbedingt sehen. Abends war ich völlig entkräftet; da fing das Leben in
der Stadt erst wieder richtig an.

Inzwischen ist es bei uns im Sommer oft so heiß wie früher nur im Süden. Aber wir
machen weiter wie gewohnt mit unseren Öffnungszeiten und Arbeitszeiten. Manchmal
denke ich: Wir sollten es so machen wir die Spanier (oder andere mit Hitze erfahrene
Nationen): „Siesta“ einführen! Was bringt es denn, wenn ich mich in der heißesten und
müdesten Zeit zu etwas zwinge, was ich dann doch nicht effektiv hinbekomme?

Und das gilt vielleicht nicht nur für Hitze. Es gibt immer wieder einmal Zeiten, in denen
ich nicht so produktiv bin, nicht so motiviert, nicht so kreativ und leistungsstark.
Ich quäle mich trotzdem durch, versuche mir Höchstleistungen abzuringen und bin
sauer auf mich selbst, weil ich es nicht schaffe. Bertolt Brecht fällt mir ein, der schrieb:
„Ich rate, lieber mehr zu können, als man macht, als mehr zu machen, als man kann.“

Oft habe ich keine Wahl – wenn ich im Team arbeite, einen Termin habe, an feste
Zeiten gebunden bin. Gerade dann kann ich mir gestatten, auch mal nicht in Top-Form
zu sein. Ich will üben, mir das zu erlauben: machen, was ich kann, nicht mehr.