Spiritueller Impuls: Was sehe ich hier?

Was sehe ich hier? 

Gastbeitrag von Sr. Irmgard Richter - Evangelische Stadtmission Freiburg e.V.

Dieses Bild hängt im Besprechungszimmer in unserem Haus der Altenpflege in
Lörrach. Ich habe es lange betrachtet und mich gefragt: Warum hängt das hier?
Was sehe ich da? Ich sehe die Innenansicht eines Gebäudes: einen langen Flur,
von dem Türen und Fenster abgehen. Manche gehen nach außen ins Freie und
lassen Licht herein. Ich sehe blaue Kacheln, die teilweise abgefallen sind und den
Blick freigeben auf die Backsteinmauern. Ich sehe einen Fußboden, der wohl
auch einmal gefliest war. Glas ist aus den Fenstern herausgebrochen. Scherben
liegen auf dem Boden. Kein Mensch ist zu sehen.
Hm. Ist das schön? Ist das nicht eher ein Bild von Verfall und Zerstörung? Warum
hängt das hier? Okay, die Farben gefallen mir – die Kombination von Blau und
Braun hat ja was. Aber sonst?

Der Pflegedienstleiter kommt herein und sieht, wie ich nachdenklich vor dem
Bild stehe. „Warum haben Sie das hier aufgehängt?“ frage ich. Und ich
beschreibe ihm, was ich sehe.
„Wissen Sie, was ich sehe?“ fragt er zurück. „Ich sehe einen langen Weg, sehr
lang und nicht besonders schön. Aber ich sehe am Ende des Weges Licht. Es ist
noch weit bis dahin. Aber da ganz hinten ist Licht. Und wenn wir uns hier treffen
zu Besprechungen, dann möchte ich, dass wir das Licht sehen – am Ende des
Weges.“

Was sehen wir vor uns, wenn wir auf das erst angebrochene Jahr schauen? Was auch
immer wir (schon) sehen, es wird vieles kommen auf dem langen Weg durch das
Jahr, was wir noch nicht sehen können. Ich wünsche mir und uns allen, dass wir
das Licht am Ende sehen können – vielleicht nicht mit den Augen, aber mit
unserer Zuversicht und Hoffnung, mit den „Augen des Herzens“ (Epheserbrief
1,18).