Episode 3: Kann ich ihr vertrauen?

Stellen Sie sich vor: Sie spielen eine wichtige Partie Schach, das Spiel ist in der heißen Phase. Ihrem Gegenüber und Ihnen stehen die Schweißperlen auf der Stirn und Ihr Bauchgefühl sagt Ihnen: Ihr nächster Zug wird über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wem würden Sie an dieser Stelle mehr Vertrauen: Dem Rat Ihres besten Freundes oder einem Schachcomputer?

Andere Situation: Sie sind in einer fremden Stadt und suchen den Weg. Ihr Google Maps scheint gerade keinen Empfang zu haben und daher fragen Sie einen Passanten nach dem Weg. Er weist freundlich und bestimmt in eine Richtung mit ein paar Ausführungen zu den wichtigen Kreuzungen, an denen Sie abbiegen müssen. Dann springt ihr Google Maps doch an und – schlägt genau die andere Richtung vor. Wem würden Sie vertrauen?

Und noch ein letztes Beispiel: Ein langer Tag ist vorbei, Ihre Füße sind schon auf dem Sofa hochgelegt, die Flimmerscheibe an. Netflix schlägt Ihnen basierend auf Ihren zuletzt geschauten Filmen einen neuen Film vor, während ein Ihnen lieber Mensch vorbeiläuft und meint: „Ich glaub der Film gefällt dir nicht“. Wem würden Sie hier vertrauen?

Sie können im Übrigen in jedem Beispiel anstelle des Freundes, des Passanten oder des lieben Menschen auch sich selbst setzen – es macht keinen Unterschied.

Ich spreche mal von mir: Bei mindestens zwei der Beispiele würde ich eher der KI vertrauen, auch wenn ich den Menschen grundsätzlich nicht misstraue. Ich denke doch, dass die KI hier mehr weiß als ich das tue – vermutlich liege ich damit auch richtig. Was macht das aber mit uns und unserem Vertrauen in Menschen, wenn wir diese Situation Tag für Tag wieder erleben: „Vertraue der Maschine! Vertraue nicht dem Menschen!“

„Kann ich ihr vertrauen?“, ist viel weniger eine Frage ob ich den Lösungen einer KI vertrauen kann. (Die Antwort ist meist ja, zumindest wenn sie ausgereift ist.) Die Frage ist mehr: „Will ich ihr vertrauen – und – will ich mich dann auch gegen einen Rat eines Menschen entscheiden?“ Eine KI führt uns zunehmend mehr als sonst vor Augen, dass Menschen nicht allwissend sind, nicht immer die besten Lösungen kennen, Fehler machen. Wir müssen das nüchtern sehen und akzeptieren (ignorieren wird schwieriger ?), aber wir müssen dabei auch aufpassen nicht in ein generelles Misstrauen gegenüber den Menschen zu fallen.

KI wird uns viele ethische und moralische Fragen neu denken lassen. Wir werden uns unserer Begrenztheit neu bewusst und sollten diese Chance nutzen darüber nachzudenken und nicht blind den Konsequenzen ausgesetzt zu sein. Es muss nicht schlecht sein, sich seiner Begrenztheit bewusst zu werden. Vielleicht laufen wir gerade eher Gefahr von der anderen Seite des Pferdes zu fallen. Aber auch unserer Stärken sollten und dürfen wir uns neu bewusst werden lassen. Es ist beides eng verwoben und eine schnelle Antwort gibt es darauf nicht (auch meine hier ist viel zu kurz). Weichen Sie den Fragen nicht aus.

Und immer wieder wird auch Menschenkenntnis notwendig bleiben. Zum Beispiel im Recruitingprozess. Wie weit wären Sie hier bereit einer KI zu vertrauen? Schauen Sie doch mal in unserer Recruitingstudie, was es hier schon auf dem Markt gibt.

Im Übrigen – um die Frage zu Beginn nochmal aufzugreifen – wir sollten uns immer auch der Begrenztheit einer KI-Lösung bewusst sein. Also verzeihen Sie auch uns, wenn die ein oder andere Lösung nur bedingt klappt.