Wenn ich mit Menschen über Konflikte spreche, die sie emotional berühren, dann ist oft direkt „Druck auf dem Kessel“: Die andere Person ist doch ein Idiot, so etwas kann man doch nicht machen, warum nimmt der andere mich nicht ernst? Vielleicht haben Sie solche Gedanken schon einmal von jemandem gehört, vielleicht kennen Sie diese auch von sich selbst. 

Dabei gelingt es in der Regel nicht (mehr), mit ein wenig Abstand auf den Streit zu schauen. Deshalb lade ich Sie heute zu einem kleinen Gedankenspiel ein, bei dem wir in die Welt zweier Personen eintauchen. 

Fragen wir eine Führungskraft: „Unterstützt du deinen Mitarbeitenden?“ und auch diesen Mitarbeitenden: „Unterstützt du deine Führungskraft?“ antworten beide womöglich mit Ja. 

Spannend wird es jedoch, wenn wir fragen, was die eine Person glaubt, dass die andere denkt oder tut: „Liebe Führungskraft, glaubst du, dass dein*e Mitarbeiter*in dich unterstützt?“ Oder umgekehrt: „Liebe*r Mitarbeiter*in, glaubst du, dass deine Führungskraft dich unterstützt?“ 

So zu denken hat zwei Auswirkungen: Erstens hat der Gedanke nichts mehr mit der Realität oder Wahrheit zu tun, zweitens ist es so viel leichter, hauptsächlich das zu sehen, was die eigene These bestätigt, als das, was sie widerlegen würde. 

Je länger das ungeklärt bleibt desto mehr manifestiert sich diese These auch. Das kann sogar so weit führen, dass eigentlich gut gemeinte Handlungen (in unserem Beispiel hier: ehrliche Unterstützung) als Beweis für die eigene These genutzt wird: „Die andere Person meint das nur vordergründig, in Wahrheit ist sie ganz anders.“ Arist von Schlippe nennt das „Dämonisierung“. 

Doch soweit braucht es ja gar nicht zu kommen. Wenn Sie einen Konflikt haben, notieren Sie sich, was Sie glauben, dass die andere Person denkt, was ihre Bedürfnisse oder Ziele sind, die sie verfolgt usw. Gehen Sie dann die Liste noch einmal durch und markieren Sie, was auf Vermutungen beruht. In meiner Erfahrung wird sehr viel mehr vermutet und geraten, als es echte Beweise dafür gibt. 

Daher hilft nur eines: Nachfragen, Zeit geben zum Sprechen lassen und Offenheit, dass es ganz anders sein könnte, als man es ursprünglich gedacht hat.